Donnerstag, 24. Mai 2012

Die schönen Tage von Aranjuez

Mein zweiter Besuch der Wiener Festwochen gilt Luc Bondys Inszenierung eines Peter-Handke-Textes zum Thema Liebe. Obwohl ... ging es hier wirklich um Liebe oder schon wieder mal um Distanz und Egozentrik? Ein Mann und eine Frau treffen sich in einem Garten zu einem Dialog, sie erzählt freimütig über ihre Erfahrungen mit Männern, präsentiert Stück für Stück ihr Innerstes, während er sich ständig in kindische Aktionen und irrelevante Vorträge über die Botanik Spaniens flüchtet. Obwohl sie einander weder körperlich noch geistig näherkommen, lässt er sie nicht gehen und will immer mehr von ihr wissen, auch wenn er eigentlich nichts mit ihren Gedanken anfangen kann. Ein Kammerspiel mit einem sehr komplexen Text und zwei wunderbaren Schauspielern. Dass Dörte Lyssewski und Jens Harzer keine Paarchemie vermitteln, hat die Inszenierung noch glaubhafter werden lassen. Auch wenn sich die Kulturkritik ablehnend geäußert hat, mich hat das Paar, das viel redet, aber nichts voneinander weiß, sehr berührt.

Montag, 21. Mai 2012

Wastwater im Akademietheater

Menschliche Abgründe machen sich immer gut auf der Bühne. Auch Sprachlosigkeit, Unverständnis, Distanz und Angst lassen sich plakativ inszenieren. In Wastwater werden in drei aufeinanderfolgenden Szenen jeweils zwei Menschen in unterschiedlichen Situationen gezeigt: Abschied, Einsamkeit und Gewalt sind der Grundtenor. Trotz hervorragender Schauspieler, allen voran Elisabeth Orth und Thilo Nest, war ich selten bis gar nicht berührt. Vielleicht war genau das gewollt, nämlich Gefühle auf Distanz zu halten. Vielleicht hat mich aber auch das Publikum vor großen Emotionen "bewahrt": Denn wenn rund um dich an eigentlich "grausigen Stellen" gelacht wird, hat Betroffenheit keinen Platz. Ich habe zwar den Humor im Stück nicht erkannt, neige aber auch nicht dazu, "große Gefühle beiseite zu lachen". Anyway, in nachhaltiger Erinnerung, glaube ich, wird mir der Abend nicht bleiben, aber die Reaktionen der Zuschauer fand ich spannend.

Mittwoch, 16. Mai 2012

Groß und klein von Botho Strauß

Cate Blanchett gastiert im Rahmen der Wiener Festwochen mit der The Sydney Theatre Company im Museumsquartier. Auch wer mit Stücken von Botho Strauß eher weniger am Hut hat (so wie ich), ist diese 3-stündige Inszenierung unbedingt zu empfehlen! Denn Cate Blanchett ist eine Urgewalt und hat eine Bühnenpräsenz, die ich bei vielen Filmschauspielern, die auch auf der Bühne tätig sind, oft schmerzlich vermisse. Ihre Interpretation von Lotte, die nach einer Trennung auf der Suche nach Zugehörigkeit ist, beinhaltet alle menschlichen Facetten, die in so einer Situation auftauchen können. Auch wenn einige Szenen des Stücks skurril und überzeichnet wirken, ist ihre Darstellung stets berührend, beklemmend, manchmal komisch und letztendlich tragisch. Auch wenn ich anfangs nicht verstanden habe, warum Lotte ständig zurückgewiesen wird, so wurde doch im Laufe des Abends klar, dass eine Verzweiflung, die sich immer mehr in Anbiederung ausdrückt, nur zu Ausgrenzung führen kann. Besonders für Frauen gibt es in diesem Stück einiges zu entdecken, denn wer kann von sich sagen, dass er im Laufe seines Lebens noch nie versucht hat, anderen nach dem Mund zu reden, sich als Kümmerer zu betätigen oder sich der Harmonie wegen zu verleugnen? Der Preis dafür ist hoch – nicht nur für Lotte …