Dienstag, 15. Januar 2013
Der Ignorant und der Wahnsinnige im Burgtheater
Für mich ist Thomas Bernhard jemand, den nicht nur eine Hass-Liebe mit Österreich verband, sondern dem auch der Schalk im Nacken saß. Bei jedem Interview, das ich mit ihm gesehen habe, umspielte seinen Mund ein kleines Lächeln und ich hatte immer das Gefühl, dass er seinem Gegenüber damit vermitteln wollte, nicht alles, was er sagt, so tierisch ernst zu nehmen. Jan Bosse hat es nun geschafft, dieses Augenzwinkern in seiner Inszenierung zu vermitteln. Er arbeitet wie immer sehr texttreu (sogar das Restaurant "Die 3 Husaren", das es schon lange nicht mehr gibt, wird nicht durch ein anderes ersetzt), aber er wagt es, dem vermeintlich hasserfüllten Text eine Leichtigkeit hinzuzufügen, die einem immer wieder ein Lachen entlockt, ohne das Thema jemals der Lächerlichkeit preiszugeben. Eine Gratwanderung, die meiner Meinung nach bestens gelingt, auch wenn namhafte Kritiker sich ob der "Entweihung" überschlagen. Joachim Meyerhoff ist natürlich prädestiniert, genau das perfekt umzusetzen und auch Sunnyi Melles beherrscht diese Zwischentöne aus dem Effeff. Mir hat es gut gefallen, obwohl Thomas Bernhard nicht zu meinen Lieblingsautoren zählt.
Samstag, 15. Dezember 2012
Moorland im TAG
Gernot Plass hat Schillers Drama "Die Räuber" für die Gegenwart adaptiert und ich finde, das ist ihm großteils hervorragend gelungen. Der Text zieht den Zuschauer ins Geschehen, es ist keine Sekunde langweilig und das 6-köpfige Schauspielensemble ist schlichtweg großartig. Was ich aber wirklich mühsam finde, ist die Fäkalsprache, derer sich Plass immer wieder und völlig unnötig bedient. Ist das Taktik? Hofft man, mit viel "Scheiße" und "Arschloch" eine neue Zielgruppe ins Theater zu locken? Oder soll das schick oder vielleicht gar modern sein? Möglicherweise erschließt man sich mit solchen Inszenierungen neues Publikum, sprach-affine Theaterbesucher wie mich vergrault man eher …
Der Alpenkönig und der Menschenfeind im Burgtheater
Zuerst mal ein Loblied auf Johannes Krisch für seine Darstellung des Alpenkönigs. Krisch gehört für mich zu jenen Schauspielern, denen das Älterwerden richtig gut tut. Sein Alpenkönig ist so diabolisch und geschmeidig, dass ich hoffe, ihn eines Tages als Mephisto sehen zu dürfen. Ein weiteres Loblied gilt Regina Fritsch, die in der Darstellung der geduldigen Frau des Menschenfeinds fatal an Christine Kaufmann erinnert, ein paar Szenen später aber schlagartig zu einer "einfachen Frau" mit breitestem Dialekt switchen kann ... Wer Lust auf echte Töne und gute Schauspieler hat, sollte sich das Stück nur der beiden wegen auf jeden Fall ansehen. Cornelius Obonya als Menschenfeind darf das tun, was offensichtlich sein Schauspiel-Karma ist: Er wird von Szene zu Szene lauter, die Anstrengung der vielen Schreierei steht ihm ins Gesicht geschrieben, und ich würde ihm wünschen, dass er öfter mal zeigen darf, dass er sicher auch die leisen Töne (Rollen) draufhat. Ich fürchte, als Jedermann wird er das aber noch nicht zeigen dürfen. Die ganze Inszenierung an sich ist launiges und teilweise ganz lustiges Volkstheater, aber ich muss sagen, dass ich mir langsam wieder mehr Inszenierungen wünschen würde, die weniger auf Effekt und Kalauer, sondern mehr auf Klasse und Stil setzen, wie zum Beispiel die ausgezeichnete Umsetzung von Professor Bernhardi mit Joachim Meyerhoff oder Endstation Sehnsucht mit Dörte Lyssewski.
Donnerstag, 22. November 2012
Einige Nachrichten an das All im Akademietheater
Ein junger Regisseur aus Tübingen inszeniert ein Stück eines ebenso jungen Dramatikers aus Hamburg. Worum es in diesem Werk geht, kann ich nicht genau sagen, vielleicht im weitesten Sinn um den Sinn oder Unsinn des Lebens und die Angst vor dem Tod. Die Darsteller geben sich wirklich Mühe, sind engagiert und lustvoll bei der Sache und es gibt ein paar starke Momente und Textzeilen. Ansonsten würde ich sagen, ist es eine Inszenierung, die ich schnell wieder vergessen würde, wäre da nicht die außerordentliche Leistung der Bühnen-, Licht und Musiktechnik, deren Feuerwerk an Effekten und Bildern mir lange in Erinnerung bleiben werden. Leider wurde mir bei dieser Aufführung zum ersten Mal bewusst, wie wenig Österreicher mittlerweile an der Burg beschäftigt sind. Das hat mich bis dato nie gestört, aber wenn auf der Bühne erzählt wird, dass ein Vater für sein Kind in der Gumpendorfer Straße "Frikadellen und Möhrchen" kocht, dann tut das halt schon weh ...
Montag, 12. November 2012
Prinz Friedrich von Homburg im Burgtheater
Zum ersten Mal bin ich froh, dass ich keine Theaterkritiken von Berufs wegen schreiben muss, denn dieses Stück hat mich ein wenig sprachlos gemacht. Ich schätze Heinrich von Kleist sehr, mag die Sprache und auch das altmodische Pathos. Aber ein Stück, das sich 3 Stunden nur mit Krieg, Schlachtstrategien und Vernichtung beschäftigt, hat mich überfordert und kalt gelassen. Obwohl die Darsteller, allen voran August Diehl, großartig, das Bühnenbild und die vielen Aufzüge sehr stimmig waren, blieb ich "draußen". Vielleicht war es einfach nur das Thema, das mich nicht berührt und abgeholt hat.
Robinson Crusoe im Burgtheater
Was für eine wunderbare Idee, das Publikum mal auf die Bühne zu setzen und die Akteure durch den Zuschauerraum wirbeln zu lassen! Und jeder, der Joachim Meyerhoff schon öfter zusehen durfte, weiß, dass das Wort "wirbeln" bei ihm immer angebracht ist. Diesmal aber scheint er überhaupt in seinem Element zu sein. Er bestreitet den ersten Teil der Inszenierung alleine und darf, nachdem er "gestrandet" ist, auch noch die ehrwürdige Möblage des Burgtheaters für Brennholz und Co in Stücke reißen. Daran musste ich mich erst gewöhnen ;-) Auf der Insel bekommt er dann endlich Verstärkung, Freitag, dargestellt von Ignaz Kirchner, taucht auf und die beiden liefern sich ein Text-Ping-Pong mit vielen Seitenhieben auf Theaterszene und Publikum, das einfach nur großartig war. So etwas kann wirklich nur Jan Bosse einfallen und umsetzen – er ist und bleibt mein Lieblingsregisseur!
Donnerstag, 11. Oktober 2012
Der Komet im Akademietheater
Die Idee des Stücks ist der Versuch, einen besonderen Tag, nämlich den Hochzeitstag, nach zehn Jahren zu wiederholen, mit den gleichen Gästen und den gleichen Begebenheiten. Wer kennt ihn nicht – den Traum von der gerne idealisierten, guten alten Zeit? Aus diesem nachvollziehbaren Wunsch, das Leben festhalten und die besonderen Momente nochmals durchleben zu wollen, könnte man einiges machen. Die ersten eineinhalb Stunden ist das auch ganz gut gelungen, es gab ein paar lustige und ein paar nachdenklich stimmende Momente, aber für drei Stunden reicht es leider nicht. Vielleicht weil die Autorin sich nicht entscheiden konnte, ob sie eine Komödie oder eine Tragödie schreiben will, Lebensgeschichten immer nur angerissen, aber nicht fertig erzählt hat, das Idealbild der Hochzeit am Schluss zwar zerstört war, dann aber doch ein Happy End folgte. Müsste ich für das Stück eine Headline finden, würde ich schreiben: "Viel Lärm um nichts", allerdings ohne dabei an Shakespeare zu denken …
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