Samstag, 20. April 2013

Onkel Wanja im Akademietheater

Seit Monaten ausverkaufte Vorstellungen, Lobeshymnen namhafter Theaterkritiker und eine großartige Besetzung – dementsprechend habe ich mich auf diesen Abend gefreut und wurde leider enttäuscht. Tschechows Drama über unerwiderte Liebe, nervtötende Langeweile, monotones Landleben, aussichtslose Existenzen und Menschen, die das Gefühl haben, ihr Leben zu vergeuden, wurde von Herrn Hartmann als Tragikomödie inszeniert, die die handelnden Personen der Lächerlichkeit preisgibt und vielleicht genau deshalb auch eine Menge Publikum anlockt. Er sagte in einem Interview über seine Interpretation des Stücks: "Ich möchte es hart haben, es soll die Hölle sein und darüber muss man fast schon wieder lachen können." Muss man das? Ich kenne niemanden, der es witzig findet, wenn er das Gefühl hat, sein Leben gleiche einer Hölle, aber möglicherweise nehme ich die Menschen zu ernst und infolge auch die Autoren. Ich habe einfach keine Lust, ein russisches Drama, das Ende des 19. Jahrhunderts geschrieben wurde, zu sehen, in dem Emotionen großteils seicht interpretiert werden und wunderbare Schauspieler traurige, anrührende Texte mit sehr vielen Zwischentönen launig, leicht und mit dazu passender platter Mimik präsentieren, sodass in mir der Gedanke aufkam, an der Burg ginge es mittlerweile wie im Fernsehen in erster Linie um Gefälligkeit, für das Publikum leicht verdauliche Kost und hohe "Einschaltquoten", sprich Zuschauerzahlen. Auch die Darsteller scheinen sich diesem Spirit angepasst zu haben: Gert Voss kenne ich sehr viel intensiver, Michael Maertens wirkte, als würde er nur auf einen Sprung vorbeischauen und ein wenig mitspielen und Caroline Peters Darstellung der jungen Jelena, die sich auf dem Land und an der Seite ihres alten Mannes zu Tode langweilt, hätte auch für die Rolle der Sophie Haas gepasst. Die einzigen Darsteller, die ich wirklich gespürt und denen ich jedes Wort abgenommen habe, waren Nicholas Ofczarek und Sarah Viktoria Frick. Die beiden haben für ein paar schöne, authentische Momente gesorgt, aber das war mir für fast 3 Stunden Spieldauer zu wenig ...

Donnerstag, 14. März 2013

Venedig im Schnee in den Kammerspielen

Wer Lust hat, sich 90 Minuten lang unbeschwerter Unterhaltung hinzugeben, dem sei die Boulevardkomödie "Venedig im Schnee" empfohlen. Besonders gut hat mir diesmal Hilde Dalik gefallen, die ihr komödiantisches Talent hier wirklich 100 %-ig unter Beweis stellen kann. Aber auch Martin Niedermair, Oliver Huether und Alexandra Krismer sind sehenswert. Dass manche Gags zu oft wiederholt und sich ab und wann Längen einschleichen, verzeiht man gerne in Anbetracht der vielen lustigen Momente. Dass dieses Stück aber laut Ankündigung nicht nur eine Komödie, sondern auch eine "entlarvende Gesellschaftssatire" sein soll, die unsere Wohlstandsgesellschaft kritisch unter die Lupe nimmt, kann ich nicht nachvollziehen, denn für diesen Anspruch fand ich Text und Inszenierung viel zu harmlos. Aber wie auch immer: Danke für den schönen Abend, ich habe sehr viel gelacht!

Montag, 11. März 2013

Der Talisman im Akademietheater

Johann Nestroys Posse zu modernisieren und so eine Verbindung zwischen gestern und heute zu schaffen, ist eine gute Idee. Ich hätte das David Bösch auch durchaus zugetraut. Ist aber meiner Meinung nach leider ziemlich schief gegangen, denn nach etwa 60 Minuten rutscht die Inszenierung Richtung Schmierentheater ab, kein noch so platter Gag wird ausgelassen. Dabei gibt es durchaus komische Momente und Ideen, aber es scheint, als habe Herr Bösch es geradezu darauf angelegt, fast zwanghaft eine "Pointe" nach der anderen abfeuern zu müssen. Dabei wird nix ausgelassen: Es gibt einen schwulen Friseur, eine Bulimikerin, der nach einem Kettensägenmassaker à la Tarantino die Gedärme wieder reingestopft werden und Maria Happel stakst wie in vielen Inszenierungen mehr als einmal auf hohen Schuhen und mit großzügigem Dekolleté über die Bühne. Dass der Abend kein kompletter Reinfall für mich war, lag an dem grandiosen Hauptdarsteller Markus Meyer, der für den erkrankten Josef Krisch einsprang, an Regina Fritsch, Sarah Viktoria Frick, wirklich entzückend als Salome, und Kirsten Dene.

Samstag, 2. Februar 2013

Caligula im Kasino

Die Vorstellung beginnt wunderbar, Cornelius Obonya darf mal "leise" Töne anschlagen (leider nicht allzu lange), was ihm überaus gut steht und bringt Camus' Text die ersten Minuten so behutsam und eindringlich dar, dass ich sofort hingerissen war. Das hat sich allerdings im Laufe der folgenden zwei Stunden verändert, denn die Zerrissenheit des Herrschers Caligula, der Menschen wie Marionetten behandelt und sie sowohl physisch als auch psychisch grausam foltert, wird streckenweise so platt inszeniert, dass Fremdschämen naheliegt (oder sich darüber lustig zu machen, wie so mancher Zuschauer es an diesem Abend tat). Wenn eine Schauspielerin den halben Abend ohne Sinn und Zweck ihr Kleid, die Tafel und ein totes Pferd mit einer Handkamera auf ein paar Fernsehbildschirme projiziert oder wenn sie gezwungen wird, Sex mit dem toten Pferd zu haben, dann frage ich mich, ob ein so feiner Text einen so uninspirierten Regisseur verdient hat ... Ich habe mich nach der Vorstellung gefragt, wie es den Schauspielern wohl bei so etwas geht. Würden sie gerne schon während der Proben aussteigen oder heißt es einfach nur: Augen zu und durch? Vielleicht bekomme ich bei einem meiner nächsten Interviews Antwort ...

räuber.schuldengenital im Akademietheater

Auch Herr Palmetshofer widmet sich einer Adaption von Schillers "Die Räuber". Die beiden Brüder Franz und Karl, die "Jungen", wollen sich ihr Erbe von den "Alten" holen, ehe der Schuldenberg nichts mehr übrig lässt. Das Drama der beiden Männer, das Gernot Plass im TAG spannend in die Gegenwart holt, bleibt bei dieser Inszenierung Effekthascherei. Die Sprache hat mich überfordert, die bemühte Bühnenteilung mit Videoeinspielungen gelangweilt und so manche Szene einfach nur abgestoßen. Nach einer Stunde hatte ich genug gesehen – man muss sich nicht durch jede Vorstellung bis zum bitteren Ende quälen ...

Dienstag, 15. Januar 2013

Der Ignorant und der Wahnsinnige im Burgtheater

Für mich ist Thomas Bernhard jemand, den nicht nur eine Hass-Liebe mit Österreich verband, sondern dem auch der Schalk im Nacken saß. Bei jedem Interview, das ich mit ihm gesehen habe, umspielte seinen Mund ein kleines Lächeln und ich hatte immer das Gefühl, dass er seinem Gegenüber damit vermitteln wollte, nicht alles, was er sagt, so tierisch ernst zu nehmen. Jan Bosse hat es nun geschafft, dieses Augenzwinkern in seiner Inszenierung zu vermitteln. Er arbeitet wie immer sehr texttreu (sogar das Restaurant "Die 3 Husaren", das es schon lange nicht mehr gibt, wird nicht durch ein anderes ersetzt), aber er wagt es, dem vermeintlich hasserfüllten Text eine Leichtigkeit hinzuzufügen, die einem immer wieder ein Lachen entlockt, ohne das Thema jemals der Lächerlichkeit preiszugeben. Eine Gratwanderung, die meiner Meinung nach bestens gelingt, auch wenn namhafte Kritiker sich ob der "Entweihung" überschlagen. Joachim Meyerhoff ist natürlich prädestiniert, genau das perfekt umzusetzen und auch Sunnyi Melles beherrscht diese Zwischentöne aus dem Effeff. Mir hat es gut gefallen, obwohl Thomas Bernhard nicht zu meinen Lieblingsautoren zählt.

Samstag, 15. Dezember 2012

Moorland im TAG

Gernot Plass hat Schillers Drama "Die Räuber" für die Gegenwart adaptiert und ich finde, das ist ihm großteils hervorragend gelungen. Der Text zieht den Zuschauer ins Geschehen, es ist keine Sekunde langweilig und das 6-köpfige Schauspielensemble ist schlichtweg großartig. Was ich aber wirklich mühsam finde, ist die Fäkalsprache, derer sich Plass immer wieder und völlig unnötig bedient. Ist das Taktik? Hofft man, mit viel "Scheiße" und "Arschloch" eine neue Zielgruppe ins Theater zu locken? Oder soll das schick oder vielleicht gar modern sein? Möglicherweise erschließt man sich mit solchen Inszenierungen neues Publikum, sprach-affine Theaterbesucher wie mich vergrault man eher …