Montag, 12. November 2012

Prinz Friedrich von Homburg im Burgtheater

Zum ersten Mal bin ich froh, dass ich keine Theaterkritiken von Berufs wegen schreiben muss, denn dieses Stück hat mich ein wenig sprachlos gemacht. Ich schätze Heinrich von Kleist sehr, mag die Sprache und auch das altmodische Pathos. Aber ein Stück, das sich 3 Stunden nur mit Krieg, Schlachtstrategien und Vernichtung beschäftigt, hat mich überfordert und kalt gelassen. Obwohl die Darsteller, allen voran August Diehl, großartig, das Bühnenbild und die vielen Aufzüge sehr stimmig waren, blieb ich "draußen". Vielleicht war es einfach nur das Thema, das mich nicht berührt und abgeholt hat.

Robinson Crusoe im Burgtheater

Was für eine wunderbare Idee, das Publikum mal auf die Bühne zu setzen und die Akteure durch den Zuschauerraum wirbeln zu lassen! Und jeder, der Joachim Meyerhoff schon öfter zusehen durfte, weiß, dass das Wort "wirbeln" bei ihm immer angebracht ist. Diesmal aber scheint er überhaupt in seinem Element zu sein. Er bestreitet den ersten Teil der Inszenierung alleine und darf, nachdem er "gestrandet" ist, auch noch die ehrwürdige Möblage des Burgtheaters für Brennholz und Co in Stücke reißen. Daran musste ich mich erst gewöhnen ;-) Auf der Insel bekommt er dann endlich Verstärkung, Freitag, dargestellt von Ignaz Kirchner, taucht auf und die beiden liefern sich ein Text-Ping-Pong mit vielen Seitenhieben auf Theaterszene und Publikum, das einfach nur großartig war. So etwas kann wirklich nur Jan Bosse einfallen und umsetzen – er ist und bleibt mein Lieblingsregisseur!

Donnerstag, 11. Oktober 2012

Der Komet im Akademietheater

Die Idee des Stücks ist der Versuch, einen besonderen Tag, nämlich den Hochzeitstag, nach zehn Jahren zu wiederholen, mit den gleichen Gästen und den gleichen Begebenheiten. Wer kennt ihn nicht – den Traum von der gerne idealisierten, guten alten Zeit? Aus diesem nachvollziehbaren Wunsch, das Leben festhalten und die besonderen Momente nochmals durchleben zu wollen, könnte man einiges machen. Die ersten eineinhalb Stunden ist das auch ganz gut gelungen, es gab ein paar lustige und ein paar nachdenklich stimmende Momente, aber für drei Stunden reicht es leider nicht. Vielleicht weil die Autorin sich nicht entscheiden konnte, ob sie eine Komödie oder eine Tragödie schreiben will, Lebensgeschichten immer nur angerissen, aber nicht fertig erzählt hat, das Idealbild der Hochzeit am Schluss zwar zerstört war, dann aber doch ein Happy End folgte. Müsste ich für das Stück eine Headline finden, würde ich schreiben: "Viel Lärm um nichts", allerdings ohne dabei an Shakespeare zu denken …

Samstag, 15. September 2012

Der ideale Mann im Burgtheater

Eine brillante Idee von Elfriede Jelinek, Oscar Wildes Gesellschaftskomödie "Ein idealer Gatte" aus dem 19. Jahrhundert in die Gegenwart zu transferieren und an bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens anzupassen. Das Ergebnis ist ein sprachliches Feuerwerk, das so viele Wortspiele und Zweideutigkeiten in atemberaubendem Tempo Richtung Publikum schießt, dass ich ständig das Gefühl hatte, eine Pointe nicht zu lange genießen zu dürfen oder gar darüber nachzudenken, weil ich sonst die nächste schon wieder verpasse. Dieses Fest für text-affine Menschen wurde noch dazu von gut gelaunten Schauspielern gefeiert, sodass ich 80 % des Abends wirklich sehr genossen habe. 20 % fand ich entbehrlich, da die Inszenierung besonders im ersten Teil nach der Pause einen Abstecher Richtung Löwingerbühne macht, auf den ich gerne verzichtet hätte. Ich kann die Intention der Regie hier nicht nachvollziehen, denn dieses Stück ist so kurzweilig, intelligent und witzig, dass grimassierende, hysterisch herumspringende Akteure unter seiner Würde sind. Wieso muss im Burgtheater in letzter Zeit bei Komödien immer so auf die Tube gedrückt werden, wenn die feine Klinge des Textes und das gute Pointentiming der Darsteller ohnehin bestens unterhalten?

Freitag, 14. September 2012

Blütenträume in den Kammerspielen

Sieben einsame Herzen versammeln sich bei einem Dating-Seminar für "50 plus Singles". Alle haben bereits eine Menge erlebt, eine Teilnehmerin ist erst 43 Jahre alt und will von den Erfahrungen der "Oldies" profitieren. Soweit der Inhalt der Inszenierung von Michael Gampe. Das Ergebnis ist eine kurzweilige, teilweise auch sehr berührende Bestandsaufnahme von einer Handvoll Menschen, die auch jenseits der 50 noch Lust auf einen Neubeginn haben. Sehr gelungene Besetzung, Marianne Nentwich gelang es im 2. Teil sogar, mit der schonungslosen Schilderung des Alltags mit ihrem an Alzheimer erkrankten Mann, für etwa zehn Minuten totale Stille im Publikum hervorzurufen (was beim Stammpublikum dieses Theaters wirklich eine Kunst ist). Summa summarum: feine Dialoge, die liebevoll und feinfühlig umgesetzt wurden, oftmaliges Schmunzeln und ein Ensemble, das offensichtlich Spaß auf der Bühne hat – ein wirklich schöner Abend.

Mittwoch, 12. September 2012

Alma im Post- und Telegrafenamt

Spät aber doch habe ich mir Paulus Mankers preisgekrönte Inszenierung von Alma Mahler angesehen, war jahrelang nicht sicher, ob diese Theaterform etwas für mich ist. Heuer war ich also erstmals beim Spektakel live dabei. Als nach der Eröffnungsszene im letzten Stock (direkt unterm Dach im Hochsommer ... alle hitzeempfindlichen und kreislaufschwachen Menschen seien an dieser Stelle gewarnt!) alle Darsteller auseinanderstoben, war ich ein wenig überfordert, welcher Menschengruppe ich nun folgen sollte. Geschätzte 150 Menschen wutzeln sich durch die Gänge und versuchen, ganz vorne bei der jeweiligen Szene einen Platz zu finden. Ich, von Haus aus nicht gerade ein Fan von Massenaufläufen, war überfordert und recht bald genervt. Hätte mir gewünscht, zumindest einen Übersichtsplan zu Beginn in die Hand gedrückt zu bekommen. Aber das sind meine persönlichen Befindlichkeiten, denn die Idee an sich ist grandios, die Schauspieler großteils auch, und wenn bei der Beerdigungsszene ein Leichenwagen mitten in der Nacht durch die menschenleere Wipplingerstraße gezogen wird, ist Gänsehaut garantiert. Dass oft und gerne Ereignisse in Almas Biografie sehr lautstark interpretiert werden, ist nicht mein Geschmack, aber sicher der von Herrn Manker, dass viel nackte Haut zur Schau gestellt wird, ebenso. Dass sich in einer Szene aber ein Darsteller vor aller Augen seinen Penis streichelt, ist keine Geschmacksache, sondern Effekthascherei, genauso wie die Schlussszene, in der der Regisseur nicht mehr "Alma", sondern sich selbst inszeniert. Wirklich beeindruckt hat mich die Ausstattung: Hut ab vor jenen Menschen, die mit solcher Liebe zum Detail Küche, Badezimmer, Lazarett usw. eingerichtet und bestückt haben. PERFEKT!

Freitag, 1. Juni 2012

Geschichten aus dem Wienerwald im Akademietheater

Wo soll ich anfangen? Beim Bühnenbild, das mit den vielen alten Möbeln die bedrückende Enge und den Kleingeist der Protagonisten perfekt untermalt hat? Oder mit den Darstellern, die allesamt gezeigt haben, wie man ein Publikum drei Stunden lang fesselt und zu begeistertem Applaus hinreißt? Ich dachte, wer die beiden legendären Verfilmungen aus dem Jahr 1961 und 1979 gesehen hat, wäre mit der Geschichte von Ödön von Horvath durch. Aber weit gefehlt, denn zum Weinen haben mich die beiden Darstellerinnen von Marianne (Johanna Matz/Birgit Doll) nicht gebracht. Birgit Minichmayr ist es aber, wie schon so oft, gelungen … Danke für diesen perfekten Theaterabend!